Kapitel 2 Was ist das feminine Prinzip im Vergleich zum maskulinen?
Die alten Chinesen sprachen von Yin und Yang und definierten damit die sich ergänzenden Energien des Femininen und des Maskulinen. Alle Menschen, egal ob Mann oder Frau, leben idealerweise eine Balance aus Yin und Yang Qualitäten. Aus der traditionellen chinesischen Medizin wissen wir, dass ein Ungleichgewicht krank macht.
Die Prinzipien von Yin und Yang oder Feminin und Maskulin, werden in verschiedenen Quellen (Wikipedia, Claire Zammit, Google) folgendermaßen beschrieben:
Wenn wir uns das Yin Prinzip anschauen, dass auch als feminine Kraft gilt, dann ordnen wir ungefähr folgende Eigenschaften zu:
Intern, sein, intrinsisch, weich, hegen und pflegen, chaotisch, flexibel, kreativ, unstrukturiert, emotional, hingebungsvoll, langsam, beziehungsorientiert, rund, empfänglich, liebend, nährend, wild, nichtlinear, nicht perfekt, multitasking, verändernd, unvorhersehbar, körperlich, fließend, intuitiv, emergent, fruchtbar, relational, fluide, interdependent, vereinigend, miteinander.
Wenn wir uns das Yang Prinzip anschauen, dass auch als maskuline Kraft gilt, dann ordnen wir ihm folgende Eigenschaften zu:
Extern, tun, mental, getrennt, strukturiert, kontrolliert, kantig, gerade, eindringend, zielorientiert, beschützend, bereitstellend, sortiert, perfektionistisch, linear, fokussiert, unveränderlich, vorhersehbar, hart, mental, logisch, strategisch, fix, sachorientiert, unabhängig.
Wenn wir zurückschauen, dann wurden in der Geschichte der Menschheit, angefangen in der Steinzeit, Frauen die Aufgaben zugeteilt, die eher Yin Energie brauchten, wie die Kinder Betreuung und die Hege und Pflege. Männer gingen auf die Jagd und erledigten Dinge, für die körperliche Kräfte benötigt wurden. So wurden dann später Yin Prinzipien als feminin zugeordnet und Yang als maskulin.
Im Laufe der Entwicklung der Menschheit gab es viele technische Erfindungen, vor allem Maschinen, die heute die Arbeit erledigen können für die Muskelkraft erforderlich ist. Eine Frau kann heute genau so gut wie ein Mann den Bagger fahren und er kann Kinder großziehen. Die Rahmenbedingungen haben sich in der letzten Generation geändert. Der Historiker Yuval Noah Harari hat dies in seinem Buch „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ wunderbar dargestellt.
Bei genauer Betrachtung ist die Basis der politischen Systeme und die der Managementsysteme, in Organisationen, in Zeiten gelegt worden, als die klare Trennung der Aufgaben zwischen Männern und Frauen noch genau so war, wie zur Steinzeit. Frauen blieben zu Hause und kümmerten sich um die Erziehung der Kinder und Männer kümmerten sich um das Erwerbsleben. Die Spielregeln in Unternehmen wurden so Yang lastig. Im Industriezeitalter war das ein Erfolgsrezept. Die Unternehmen, die am strukturiertesten und am organisiertesten vorgingen, konnten die höchste Effizienz bei der Reproduktion von Waren erzielen.
Bei der Erstellung von Produkten gibt es zwei Schritte. Der erste Schritt ist die Entwicklung dessen, von der Idee bis zum Blueprint. Hier sind chaotische Experimente notwendig. Ein Raum von Kreativität und Imperfektionismus ist ideal, alles Yin Prinzipien. Wenn dieser erste Schritt abgeschlossen ist, dann wird das Produkt am Fließband tausendfach reproduziert. Jedes Produkt, dass vom Band läuft, sollte zu 100% identisch sein mit seiner Vorlage. Für diesen Prozess ist das Yang Prinzip ideal. Chaos und Kreativität sind hier fehl am Platz. Hier sind Yang Kräfte gefragt.
Von Edison sagt man, dass er 9000 Versuche brauchte, bis die Erfindung seiner Glühbirne marktreif war. Die Entwicklung neuer Produkte stellte im Industriezeitalter nur einen geringen Anteil des Aufwandes dar. Die größte Effizienzsteigerung lag in den Produktionsketten.
Im Digitalzeitalter schwindet der Aufwand, den Menschen für die Reproduktion erbringen. Diese wird vermehrt von Robotern und 3D Druckern übernommen. So hat zum Beispiel Adidas ein Experiment mit einer Speedfactory durchgeführt, bei der jeder Schuh anders aussieht und so die Kundenwünsche nicht nur individuell, sondern auch mit kurzer Lieferzeit bedienen kann.
Damit wächst der Anteil an Programmierung und Entwicklung. Das Yin Prinzip wird wichtiger. Unstrukturierte Experimente, die scheitern dürfen, sind wichtiger als strukturierte Fließbandarbeit. Beziehung, Kommunikation und kreatives Chaos bringen auch negative Emotionen, wie Wut und Frust mit sich. Miteinander das Wissen teilen ist wichtiger, als der alleinige Sieger zu sein.
Im digitalen Zeitalter sind wir mit Verletzlichkeit Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität, auch VUCA genannt, konfrontiert. Diese Randbedingungen haben als Antwort neue Formen des Managements hervorgebracht, die als agiles Management bekannt wurden. Diese Methoden gehen empirisch vor, im Unterschied zu den Managementmethoden des Industriezeitalters, die als „scientific“ oder „definiert“ bezeichnet wurden. Sie sind als Taylorismus bekannt, nach dem Begründer dieses Prinzips, Frederick Winslow Taylor.
Empirisches Vorgehen macht sich das Prinzip der positiven Rückkopplung zunutze, in dem der Stand der Produktentwicklung in kurzen Abständen inspiziert und adaptiert wird. Das bekannteste Framework für agiles Vorgehen ist Scrum, das von Ken Schwaber und Jeff Sutherland begründet ist.
Diese Perspektive zeigt, warum Yin Qualitäten und die feminine Kraft im digitalen Zeitalter nützlich sind. Die Transformation der Unternehmen hin zu agilem Management ist eine Herausforderung, weil nicht nur die Kultur der Organisationen auf maskuline Prinzipien aufgebaut ist, sondern auch die Managementschulen fast nur die Erfolgsrezepte des Industriezeitalters lehren. Dies gilt für alle Organisationen. Behörden sind genauso herausgefordert, wie Krankenhäuser, NGO oder Banken, Versicherungen, Medienkonzerne und Technologiekonzerne. Kaum eine Organisation kommt um die Transformation herum, wenn sie im Digitalzeitalter florieren will.
Die agile Transformation ist damit ein Lernschritt in Richtung feminine Kraft. Diese ist im Unterschied zur maskulinen Kraft, die sich aus körperlichen Kräften im aussen nährt, im inneren zu finden. Aus dem Sein heraus zu handeln ist machtvoller als zu tun. Weniger für mehr. Mit Chaos und Unsicherheit konfrontiert sein.
John Gerzema und Michael D’Antonio haben in der wissenschaftlichen Studie „Athena Doctrine“in über 10 Ländern erforscht, wie feminine Prinzipien ein florierendes Geschäft fördert und gleichzeitig langfristige Beziehungen zu Kunden anbahnt, von denen beide Seiten profitieren. Frauen und Männer, die wie Frauen denken und handeln, erschaffen eine lebenswerte Welt.
Stelle dir folgende Fragen:
Welche Qualitäten liegen dir näher, Yin oder Yang? Wie handelst du meistens im Alltag, aus dem Tun heraus oder aus dem Sein? Trittst du zuerst einen Schritt zurück um die Situation ganz zu erfassen oder trittst du sofort in Aktion?